Mandanten-Rundschreiben

Veröffentlicht am 01.12.2015

2. Gesetzgebungsverfahren

2.1. Das Steueränderungsgesetz 2015

(Anschluss an Punkt 1.2. unseres Rundschreibens Nr. 3/2014 vom 24.11.2014)

Am 16.10.2015 hat der Bundesrat dem Steueränderungsgesetz 2015 zugestimmt. Die wichtigsten Änderungen haben wir nachfolgend für Sie zusammengefasst:

a) Einkommensteuergesetz

  • Durch einen neu eingefügten § 6b Abs. 2a EStG werden künftig Reinvestitionen in einem EU-Mitgliedsstaat sowie in Staaten des EWR-Wirtschaftsraums begünstigt. Steuerpflichtige haben jetzt bei Ersatzinvestitionen in begünstigte Anlagegüter einer im EUR-/EWR-Raum belegenen Betriebsstätte die Möglichkeit, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer in fünf gleichen Jahresraten zu entrichten. Der Antrag ist im Wirtschaftsjahr der Veräußerung zu stellen.
    HinweisDie Neuregelung ist zugunsten der Steuerpflichtigen rückwirkend in allen noch offenen Fällen anwendbar.
  • Derzeit muss das Wirtschaftsgut für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG seiner Funktion nach benannt werden. Schafft der Unternehmer ein funktionell anderes Wirtschaftsgut an (z.B. LKW anstatt PKW), muss der Abzugsbetrag im Jahr der Geltendmachung mit der entsprechenden Zinswirkung aufgelöst werden.
    Künftig sollen die Abzugsbeträge nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung an das Finanzamt übermittelt werden. Eine Angabe, welche Investitionen beabsichtigt sind, ist nicht mehr notwendig. Diese Regelung gilt erstmals für nach dem 31.12.2015 endenden Wirtschaftsjahre.
  • Der Abzug von Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG wird an die Voraussetzung geknüpft, dass in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden die Identifikationsnummer der unterhaltenen Person angegeben wird.
  • Die unterhaltene Person ist für diese Zwecke verpflichtet, dem Unterhaltsleistenden ihre Identifikationsnummer mitzuteilen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Unterhaltsleistende diese bei der für ihn zuständigen Finanzbehörde erfragen.
  • Die Regelung zur Fälligkeit von Dividendenzahlungen in § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG ist für Fälle geöffnet worden, in denen durch Gesetz oder durch Satzungsbestimmung abweichend von dem Leitbild der sofortigen Fälligkeit des § 271 Abs. 1 BGB eine spätere Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung von Kapitalerträgen bestimmt wird. Als Zeitpunkt des Zufließens gilt danach der Tag der Fälligkeit.

b) Umsatzsteuergesetz

Für alle Fälle des unrichtigen Steuernachweises nach § 14c UStG wird künftig einheitlich geregelt, dass die wegen des unrichtigen bzw. unberechtigten Steuerausweises geschuldete Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung entsteht.

Durch eine Änderung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG wird gesetzlich klargestellt, dass Lieferungen von und Leistungen an Betriebsvorrichtungen unter die Regelung des § 13b UStG fallen können mit der Folge einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft für die Umsatzsteuer auf den Leistungsempfänger.

Damit reagiert der Gesetzgeber auf ein BFH-Urteil vom 28.08.2014, wonach keine Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger bei Lieferungen von und Leistungen an Betriebsvorrichtungen in Betracht kommen. Nunmehr ist eine oftmals schwierige Abgrenzung zwischen Bauwerk und Betriebsvorrichtung entbehrlich.

c) Umwandlungssteuergesetz

Die Möglichkeit zur Gewährung sonstiger Gegenleistungen bei Umwandlungen (§ 20 Abs. 2 UmwStG) wird eingeschränkt. Der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neuen Anteilen gewährt werden, darf nicht mehr als 25 % des Buchwertes des eingebrachten Betriebsvermögens oder EUR 500.000,00, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens, betragen, sonst ist eine Fortführung der Buchwerte nicht möglich.

 Diese Änderung wurde auch in die entsprechenden Regelungen zum Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b UmwStG) sowie zur Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b UmwStG) übernommen.

d) Erbschaftsteuergesetz

Zuwendungen an ausländische Religionsgesellschaften oder an Zuwendungsempfänger, die steuerbegünstigte Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO verfolgen, werden nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG unter denselben Voraussetzungen steuerbefreit wie Zuwendungen an inländische Zuwendungsempfänger.

Damit wird ein europarechtswidriger Zustand beseitigt.

e) Grunderwerbsteuergesetz

Die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Regelung zur Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 GrEStG für die Fälle, bei denen keine Gegenleistung vorhanden oder zu ermitteln ist oder bei Umwandlungen, Einbringungen oder anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, wird durch Bezugnahme auf die Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach § 151 BewG i.V. mit den §§ 157 ff. BewG statt bisher § 138 Abs. 2 bis 4 BewG geändert. Damit erfolgt die Bewertung mit den für die Erbschaftsteuer geltenden Bewertungsvorschriften. Dies führt in der Regel zu deutlich höheren Werten.

2.2. Das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags

Durch das Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.07.2015, sind in § 32a Abs. 1 EStG die Eingangsbeträge zu den beiden Progressionsstufen des ESt-Tarifs erstmals für den Veranlagungszeitraum 2016 jeweils um 1,48 % angehoben worden (von EUR 13.469,00 auf EUR 13.669,00 sowie von EUR 52.881,00 auf EUR 53.665,00 – in Fällen der Einzelveranlagung). Der Spitzenzuschlag zur Einkommensteuer wird dann ab einem zu versteuernden Einkommen von EUR 254.447,00 (statt EUR 250.731,00) erhoben.

Insofern liegt es nahe zu erwägen, einkommensverlagernde Maßnahmen zu ergreifen (einkommenswirksames Vorziehen von Aufwendungen in das Jahr 2015, Hinausschieben von Erträgen in das Jahr 2016). Da die Anpassung des Steuertarifs jedoch lediglich dem Inflationsausgleich dient, ist das Ergreifen entsprechender Maßnahmen erst bei höheren Beträgen empfehlenswert. Zu berücksichtigen ist auch, dass einer Einkünfteverlagerung andere steuerliche Erwägungen entgegenstehen können, etwa die Verhinderung lediglich verrechenbarer Verluste i.S. des § 15a Abs. 2 EStG oder eine drohende Einschränkung des betrieblichen Schuldzinsenabzugs gem. § 4 Abs. 4a EStG.

HinweisFür die Frage nach der Ermittlung des zutreffenden Zeitpunktes der Gewinnrealisation ist das BMF-Schreiben vom 29.06.2015 zur Gewinnrealisation bei Abschlagszahlungen zu beachten. Die Finanzverwaltung vertritt darin unter Hinweis auf ein BFH-Urteil vom 14.05.2014 (siehe Punkt 1 unseres Rundschreibens Nr. 2/2015 vom 11.08.2015) die Auffassung, bereits die Vereinnahmung von Abschlagszahlungen führe zur Gewinnrealisierung. In der Regel gilt diese Betrachtungsweise ab dem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr 2015. Zur Vermeidung von Härten kann ein sich aus der erstmaligen Anwendung der Urteilsgrundsätze ergebender Gewinn darüber hinaus gleichmäßig entweder auf die Wj. 2015 und 2016 oder auf die Wj. 2015 bis 2017 verteilt werden.

Das Kindergeld erhöht sich ab 01.01.2016 für das erste und zweite Kinde auf je EUR 190.00, für das dritte Kind auf EUR 196,00 und für jedes weitere Kind auf je EUR 221,00. Der Kinderfreibetrag steigt zum 01.01.2016 auf EUR 7.248,00, während der Kinderzuschlag für Geringverdiener erst zum 01.07.2016 von EUR 140,00 auf EUR 160,00 angehoben wird.

2.3. Neues zur Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts

Mit Urteil vom 17.12.2014 erklärte das BVerfG die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar.

Das BVerfG hat den Gesetzgeber in diesem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung bis spätestens zum 30.06.2016 zu treffen. Zwar wurde von der Bundesregierung im Juli ein Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG beschlossen, dieses konnte aber im Finanzausschuss nicht überzeugen. Mit Beschlüssen des Bundestages und des Bundesrates wird in diesem Jahr nicht mehr gerechnet. Wir werden Sie über die Entwicklungen im neuen Jahr informieren.

HinweisUm sich die Vorteile der gegenwärtigen Gesetzeslage zu sichern, kann ein Vorziehen einer – wirtschaftlich durchdachten und sinnvollen – Schenkung von Betriebsvermögen insbesondere dann sinnvoll sein, wenn

  • Gegenstand der Übertragung eine begünstigte betriebliche Einheit ist, zu der Verwaltungsvermögen rechnet, ohne dass die bisherige Begünstigungsgrenze überschritten wird (50 % des Unternehmenswertes; 10 % in Fällen der Vollverschonung), oder
  • von der Nichtanwendbarkeit der Lohnsummenregelung für betriebliche Einheiten mit nicht mehr als 20 Beschäftigten profitiert werden soll, oder
  • der begünstigte Erwerb die Erwerbsgrenze von EUR 26 Mio. (bzw. bei bestimmten gesellschaftsvertraglicher Regelungen EUR 52 Mio.) überschreitet.

Nach dem gegenwärtigen Stand ist zwar nicht von einer rückwirkenden Anwendung der gesetzlichen Neureglung auszugehen, jede Schenkung sollte aber mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall verbunden sein, dass die steuerlichen Konsequenzen nicht jene sind, die von Gesetzes wegen im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung zugrunde zu legen waren. Wird die Schenkung auf Grund des Widerrufsvorbehalts rückgängig gemacht, erlischt die festgesetzte Schenkungsteuer rückwirkend. Sprechen Sie uns gerne an.

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