Sonderrundschreiben

Veröffentlicht am 01.10.2015

2. Die Regelungsinhalte des Gesetzentwurfs im Einzelnen:

Begünstigtes Vermögen

Das bisherige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sieht eine Verschonung von Betriebsvermögen vor, wenn das Verwaltungsvermögen, also das nicht unmittelbar für betriebliche Zwecke genutzte Vermögen, wie z. B. fremdvermietetes Immobilienvermögen oder Kapitalvermögen, eine Quote von 50 % nicht überschreitet. In mehrstufigen Konzernstrukturen waren bisher erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten gegeben, so dass auch de facto größere Verwaltungsvermögensquoten übertragen werden konnten, ohne dass die Betriebsvermögensbegünstigung entfiel.

Künftig kann nur das sog. begünstigte Vermögen verschont werden. Begünstigt ist solches Vermögen, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. In mehrstufigen Unternehmensstrukturen mit Beteiligungsgesellschaften wird das begünstigte Vermögen aufgrund einer konsolidierten Betrachtung ermittelt.

Ein Ausnutzen eines Verwaltungsvermögensanteils von 50 % auf jeder Stufe der Beteiligungsebene, wie es das geltende Recht zulässt (sog. Kaskaden-Effekt), ist danach nicht mehr möglich.

Verschonungsregeln

Wie bisher wird das begünstigte Vermögen nach Wahl des Erwerbers zu 85 % oder zu 100 % von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, wenn bestimmte Behaltensfristen erfüllt sind:

  • Entscheidet sich der Erwerber für die Verschonung in Höhe von 85 % des begünstigten Vermögens, muss er den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführen (Behaltensfrist) und nachweisen, dass die Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet.
  • Bei der Wahl der vollständigen Befreiung von der Erbschaftsteuer zu 100 % muss der Erwerber die Behaltensfrist von sieben Jahren einhalten und nachweisen, dass er insgesamt die Lohnsumme von 700 % im Zeitraum von sieben Jahren nicht unterschreitet.

Kleine Unternehmen

Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten waren bisher von der Lohnsummenregelung gänzlich ausgenommen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Anforderung an die Lohnsummenregelung mit der Zahl der Beschäftigten steigt:

  • Bei Unternehmen mit bis zu drei Beschäftigten und übertragenes Vermögen bis EUR 26 Mio. pro Erbe (Familienunternehmen) wird auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet.
  • Bei Unternehmen mit vier bis zehn Beschäftigten und Einhaltung der oben genannten Vermögensgrenze gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren die Lohnsumme 250 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren darf die Lohnsumme 500 % nicht unterschreiten.
  • Bei Unternehmen mit elf bis fünfzehn Beschäftigten und Einhaltung der oben genannten Vermögensgrenze gilt, dass bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren die Lohnsumme 300 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren darf die Lohnsumme 565 % nicht unterschreiten.
  • Bei Unternehmen mit mehr als fünfzehn Beschäftigten und Einhaltung der oben genannten Vermögensgrenze gilt, dass bei einer Behaltensfrist von fünf Jahren die Lohnsumme von 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschritten werden darf. Bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren darf die Lohnsumme 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten.

Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit, Langzeiterkrankte und Auszubildende werden nicht mitgerechnet.

Große Betriebsvermögen

Nach dem derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gelten die Verschonungsregeln auch bei der Übertragung von großen Betriebsvermögen, ohne dass geprüft wird, ob es überhaupt einer Verschonung bedarf. Dies sah das BVerfG als verfassungswidrig an. Beim Erwerb großer Unternehmensvermögen mit einem begünstigten Vermögen von über EUR 26 Mio. (Prüfschwelle) sieht der Gesetzentwurf daher ein Wahlrecht zwischen 

  • einer individuellen Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG-E) und
  • einem Verschonungsabschlagsmodell (§ 13c ErbStG-E) vor.

Bei der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus sonstigem nichtbetrieblichen, bereits vorhandenen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen nicht begünstigtem Vermögen zu begleichen. Genügt dieses Vermögen nicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen.

Bei begünstigten Vermögen von über EUR 26 Mio. bzw. EUR 52 Mio. kann sich der Erwerber anstelle einer Verschonungsbedarfsprüfung alternativ für ein Verschonungsabschlagsmodell entscheiden. Hier erfolgt eine Teilverschonung, die mit zunehmendem Vermögen schrittweise verringert wird.

Ausgehend von einem Verschonungsabschlag bei begünstigtem Vermögen von bis zu EUR 26 Mio. (bzw. bei Familienunternehmen in Höhe von bis zu EUR 52 Mio.) von 85 % (bei einer Haltefrist von fünf Jahren) bzw. von 100 % (bei einer Haltefrist von sieben Jahren) sinkt die Verschonung schrittweise für jede zusätzliche EUR 1,5 Mio., die der Erwerb über der jeweiligen Prüfschwelle liegt, um jeweils 1 % bis zu einem Wert des begünstigten Vermögens von EUR 116 Mio. bzw. EUR 142 Mio. (bei Vorliegen bestimmter gesellschaftsvertraglicher oder satzungsmäßiger Beschränkungen).

Ab EUR 116 Mio. bzw. EUR 142 Mio. gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 % (bei einer Haltefrist von fünf Jahren) bzw. von 35 % (bei einer Haltefrist von sieben Jahren).

Das Bundesfinanzministerium hat zu dem neuen Gesetzentwurf eine schematische Übersicht veröffentlicht, die wir in der Anlage beifügen.

Bedarfsprüfung / Wertermittlung

Viele Regelungen des Gesetzentwurfes sind hochproblematisch und werden derzeit diskutiert. Besonders problematisch scheint uns die Bedürfnisprüfung. Dabei treten bislang vernachlässigte Bewertungsfragen zukünftig in den Vordergrund. Bisher waren vererbte bzw. verschenkte Betriebsvermögen im Wesentlichen steuerfrei. Zukünftig wird es entscheidend darauf ankommen, ob der Wert des übertragenen Vermögens die genannte Schwelle von EUR 26 Mio. bzw. EUR  52 Mio. pro Erbe überschreitet.

Für die Ermittlung des Wertes des übertragenen Vermögens wurde dabei das im steuerlichen Bewertungsrecht bereits heute gesetzlich verankerte sog. vereinfachte Ertragswertverfahren herangezogen. Der gesetzlich geregelte Kapitalisierungsfaktor und das aktuell sehr niedrige Zinsniveau werden dazu führen, dass Unternehmen eher zu hoch als zu gering bewertet werden. 

Gestaltungsspielräume nutzen

Im Ergebnis muss davon ausgegangen werden, dass es zu einer deutlichen Verschärfung des Schenkung- und Erbschaftsteuerrechtes kommen wird. Diese Verschärfung ist in Kürze zu erwarten, so dass erforderliche Maßnahmen kurzfristig ergriffen werden sollten.

Insbesondere die Fragen der Vermögenszusammensetzung und die Prüfung, ob Vermögen betriebsnotwendig ist, werden zukünftig eine wesentliche Rolle spielen. Es kann also zu überlegen sein, nicht überwiegend dem Hauptzweck des Unternehmens dienendes Ver-mögen zu separieren und nicht betriebsnotwendige liquide Mittel möglicherweise anderweitig einzusetzen. Schließlich kann es für die Planung weiterer Maßnahmen von Bedeutung sein, ob der erbschaft- und schenkungsteuerliche Wert der Unternehmung heute bereits die Schwelle von EUR 26 Mio. überschreitet. Zudem wird man prüfen müssen, ob die vom Gesetzgeber als „typische gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Beschränkungen bei Familienunternehmen“ angesehene Regelungsgestaltung in Ihrem besonderen Fall tatsächlich gewünscht sind, handelt es sich doch um nicht unerhebliche Beschränkungen der Erben bei zukünftigen Entscheidungen.

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