Aktuelles
Sonderrundschreiben
Veröffentlicht am 24.11.2016
3. Umsatzsteuer
3.1. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern
Die OFD Frankfurt hat mit Verfügung vom 21.03.2016 zur umsatzsteuerlichen Beurteilung der Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern Stellung genommen.
Danach ist die langfristige Vermietung oder Verpachtung (über sechs Monate) an die öffentliche Hand oder an gemeinnützige Träger grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei. Übliche Nebenleistungen sind eingeschlossen, z.B. Bettwäschegestellung, Mobiliargestellung, Reinigung, Bereitstellung von Waschmaschinen und Wäschetrocknern sowie Zurverfügungstellung von Hauspersonal. Bei weitergehenden Leistungen ist im Einzelfall zu prüfen, ob insgesamt ein Vertrag besonderer Art vorliegt, der nicht mehr steuerbefreit ist oder die zusätzlichen Leistungen selbständige steuerbare und steuerpflichtige Leistungen darstellen.
Bei kurzfristiger Vermietung greift die Umsatzsteuerbefreiung nicht, jedoch kann es sich um Beherbergungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG handeln. Auch hier ist zu prüfen, ob zusätzliche Leistungen einzubeziehen sind oder dem Regelsteuersatz unterliegen. Werden Rahmenverträge abgeschlossen, kommt es im Einzelfall darauf an, wie diese durch Einzelvermietung bzw. Einzelverträge ausgefüllt werden.
3.2. Gesundheitsuntersuchungen nach § 62 AsylG sind umsatzsteuerfrei
Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG sind nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Darauf hat das LSF Sachsen in einer Kurzinformation vom 17.05.2016 hingewiesen.
3.3. Umsatzsteuerliche Behandlung von Sprachkursen für Personen mit Migrationshintergrund
Maßnahmen für berufsbezogene Sprachförderung für Personen mit Migrationshintergrund, die aus Mitteln des europäischen Sozialfonds mitfinanziert werden (ESF-BAMF-Programme), fallen nach einer Verfügung der OFD Frankfurt vom 04.04.2016 grundsätzlich unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.
3.4. Zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausleistungen
Eine nicht im Krankenhausplan nach § 108 Nr. 2 SGB V aufgenommene und über keine Zulassung als medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 SGB V verfügende Privatklinik mit Konzession nach § 30 GewO, aber ohne sozialversicherungsrechtliche Zulassung nach § 108 SGB V oder Verträge mit Sozialversicherungsträgern nach §§ 108 Nr. 3, 109, 73a SGB V, die Krankenhausleistungen in Mieträumen in einem Krankenhaus in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erbringt, kann Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL beanspruchen, auch wenn sie ausnahmslos Privatpatienten, Beihilfe-Patienten oder sogenannten Selbstzahler behandelt. Das hat das FG Köln – mit nicht rechtskräftigem – Urteil von 13.04.2016 entschieden.
3.5. Betreutes Wohnen steuerfrei
Nach Art 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sind steuerbefreit die „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.
Der EuGH hat am 21.01.2016 in einem belgischen Fall entschieden, dass Einrichtungen für betreutes Wohnen Einrichtungen mit sozialem Charakter in diesem Sinne sein können.
Die Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ im Sinne des Art. 132 MwStSystRL sei eine Ermessensentscheidung der Mitgliedstaaten. Hierbei seien zu berücksichtigen:
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das „Bestehen spezifischer Vorschriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit“,
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das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
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die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen und
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dass die Kosten der fraglichen Leistungen „unter Umständen“ zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
Nach dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL seien die Dienstleistungen der Altenheime ausdrücklich als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferung von Gegenstände“ steuerbefreit. Die von einem Altenheim oder einer Einrichtung für betreutes Wohnen jeweils zur Verfügung gestellten Wohnungen und die anderen Dienstleistungen seien gleich zu behandeln. Die „anderen Dienstleistungen“ seien steuerbefreit, sofern sie „bezwecken, die Unterstützung und Betreuung von Senioren sicherzustellen, und denjenigen entsprechen die auch Altenheime nach diesen Regelungen anbieten müssen“. Dazu gehörten nach Auffassung des EuGH Verpflegung, die zumindest einmal wöchentliche Reinigung der Privatwohnung und die Möglichkeit eines Wäschedienstes für die Bewohner – nicht jedoch Friseur- und Kosmetikdienstleistungen.
Hinweis:
Die deutsche Befreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG setzt demgegenüber die Kostenübernahme in bestimmtem Umfang voraus. Begünstigt sind Einrichtungen, bei denen im vorangegangen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden. Unter Beachtung der Aussagen des vorliegenden EuGH-Urteils ist es zumindest fraglich, ob diese „Anerkennungsgrenze“ für Altenheime, Altenwohnheime bzw. für Einrichtungen des betreuten Wohnens unionrechtskonform ist.
3.6. Zur Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen der Jugendhilfe
Der BFH hat in zwei Urteilen vom 06.04.2016 und 22.06.2016 zu Leistungen im Bereich der Jugendhilfe, die nur mittelbar von öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gezahlt werden, wie folgt Stellung genommen:
a) Betreuungsleistungen einer juristischen Person sind unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL steuerfrei, wenn ihr die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen nach § 45 SGB VIII erteilt wurde. Voraussetzung ist, dass die Kosten für diese Leistungen über einen Träger der freien Jugendhilfe abgerechnet und damit mittelbar von öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gezahlt werden.
b) Ein selbständiger Erziehungsbeistand kann sich für die Steuerfreiheit der von ihm erbrachten Betreuungsleistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL auch dann berufen, wenn die Kosten für diese Leistungen über eine Personengesellschaft abgerechnet werden und damit (nur) mittelbar von einem öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe getragen werden.
Damit hat der BFH dem günstigeren Unionsrecht den Vorzug vor dem strengeren deutschen Recht gegeben. Bedeutung hat dies allerdings nur für Altfälle, denn seit dem 01.01.2008 sind derartige Leistungen nach § 4 Nr. 25 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, wenn sie im vorangegangen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil unmittelbar oder mittelbar durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe vergütet wurden.