Sonderrundschreiben

Veröffentlicht am 29.11.2014

4. Umsatzsteuer

4.1. Steuerbefreiung für heilberufliche Tätigkeiten

Ärzte, Heilpraktiker und andere im UStG explizit aufgeführte Heilberufe sind von der Umsatzsteuer befreit, sofern sie Leistungen erbringen, die der Behandlung von Krankheiten dienen, also ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

Allerdings kommt die Befreiung auch für weitere, nicht im UStG aufgelistete Berufsgruppen in Betracht, wenn diese eine heilberufliche Tätigkeit ausüben, die den explizit im UStG bezeichneten Berufen ähnlich ist.

Die OFD Frankfurt a.M. gibt in einer Verfügung vom 10.04.2014, ergänzend zum Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), einen Überblick über die Gesundheitsberufe, die eine ähnliche Tätigkeit ausüben. Dazu gehören:

  • Fachbiologen der Medizin (deren zytologische/histologische Leistungen),
  • Fachwissenschaftler der Medizin,
  • Hippotherapie, die von einem Physiotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung auf ärztliche Verordnung durchgeführt wird.

Auch die Gesundheitsberufe, auf die dies nicht zutrifft - und die daher nicht von der Umsatzsteuer befreit sind - werden genannt. Hierzu gehören z.B. Augenoptiker.

Sofern eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausgeübt wird, ist diese nach Ansicht der OFD jedoch nur befreit, wenn sie aufgrund einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers oder im Rahmen einer Vorsorge- bzw. Rehabilitationsmaßnahme erbracht wird.

Anderer Ansicht ist hier das FG Schleswig-Holstein, das mit – nicht rechtskräftigem – Urteil vom 05.02.2014 entschieden hat, die Steuerfreiheit podologischer Behandlungen werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Behandlungen nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung erfolgt seien. Ein solches Nachweiserfordernis für das Vorliegen einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin bei Leistungen arztähnlicher Berufe lasse sich weder aus dem Wortlaut des § 4 Nr.14 Buchst. a Satz 1 UStG noch aus dem Zweck der Vorschrift, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen, ableiten. Podologische Behandlungen seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei, wenn sie der Behandlung einer Erkrankung am Fuß des Patienten dienten. Erfolgte die Behandlung bei Patienten mit anderweitigen Erkrankungen zum Zweck der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen, so seien sie nur bei unmittelbarem Krankheitsbezug steuerfrei.

4.2. Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken

Das FG Münster hält in einem – nicht rechtskräftigen – Urteil vom 18.03.2014 die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität für nicht richtlinienkonform, soweit sie die Steuerbefreiung für ärztliche Heilbehandlungsleistungen nur deshalb versagt, weil diese nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts oder einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses erbracht werden. Ärztliche Heilbehandlungsleistungen, die Privatkliniken im Rahmen von Krankenhausbehandlungen erbringen, seien in unmittelbarer Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL umsatzsteuerfrei, wenn die Bedingungen, unter denen die Leistungen erbracht werden, in sozialer Hinsicht den Bedingungen entsprechen, unter denen öffentlich-rechtliche Einrichtungen tätig seien. Davon sei nach Ansicht des Gerichts auch dann auszugehen, wenn der Anteil der Leistungen, die an gesetzlich versicherte Personen erbracht werden, unter 40 % der Umsätze liegen.

Hinweis:

Entsprechend hat auch das Schleswig-Holsteinische FG in einem - nicht rechtskräftigen – Urteil vom 17.07.2013 entschieden.

4.3. Umsatzsteuerbefreiung für die der Reimplantation körpereigener Knorpelzellen dienenden Dienstleistungen

Der BFH hatte mit Urteil vom 29.06.2011 entschieden, dass die Umsätze aus dem Herauslösen von Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und ihre anschließende Vermehrung zur Reimplantation zu therapeutischen Zwecken nach § 4 Nr. 14 UStG in der im Streitjahr 2002 geltenden Fassung von der Umsatzsteuer befreit sind. Voraussetzung hierfür sei, dass diese Tätigkeit von Ärzten oder im Rahmen eines arztähnlichen Berufs ausgeübt werde. Mit Schreiben vom 20.11.2013 vertritt das BMF die Auffassung, dass das Urteil und die Grundsätze des Urteils nur für Umsätze anzuwenden sind, die bis zum 31.12.2008 erbracht wurden. Danach seien Laborleistungen, die von Ärzten oder im Rahmen der Ausübung eines ärztlichen Berufs erbracht würden, nur unter den weiteren Voraussetzungen des zum 01.01.2009 neu gefassten § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei. D.h. Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG sei weniger die Art der Leistung, sondern vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Eine Steuerbefreiung der Leistungen von Laborärzten oder klinischen Chemikern komme daher nur noch unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Betracht.

4.4. Zur Steuerfreiheit von Leistungen eines Altenwohnheims

Mit Urteil vom 19.03.2013 hat der BFH entschieden, dass die mit dem Betrieb eines gewerblichen Altenwohnheims eng verbundenen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG u.a. dann umsatzsteuerfrei sind, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen Kranken und behinderten Menschen zugutegekommen sind, die in einem vom Gesetz näher bestimmten Maß der Hilfe bedürfen. Dass diesen Personen eine Pflegestufe zuerkannt wurde, sei nicht erforderlich.

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG dürfe nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die nicht geeignet sei, die Gleichbehandlung sämtlicher unter das Privatrecht fallenden Betreiber von Altenwohnheimen zu gewährleisten.

4.5. Umsatzsteuerbefreiung für ambulante Pflegeleistungen

(Anschluss an Punkt 7 unseres Sonder-Rundschreibens Nr. 1/2013 vom 07.03.2013)

Scheitert die Anerkennung des sozialen Charakters einer Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen allein an der in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG normierten Pflicht, diesbezüglich ausschließlich auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres abzustellen, sind die Umsätze dieser Einrichtung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Das hat der BFH am 19.03.2013 im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 15.11.2012 (vgl. Punkt 7 unseres Sonder-Rundschreibens Nr. 1/2013) entschieden.

4.6. Umsatzsteuerfreiheit eines ärztlichen Notfalldienstes

Die Leistungen eines ärztlichen Notfalldienstes werden als Einheit behandelt und sind unter Umständen umsatzsteuerfrei. So entschied der BFH mit Urteil vom 08.08.2013.

Im entscheidenden Fall ging es um einen eingetragenen Verein und Mitglied eines amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege. Dieser betrieb für eine kassenärztliche Vereinigung nachts sowie an den Wochenenden und Feiertagen einen ärztlichen Notfalldienst. Dazu unterhielt er mit Funk ausgerüstete Krankenwagen mit je einem ausgebildeten Rettungshelfer als Fahrer zur Beförderung von Notfallärzten zu Notfallpatienten sowie eine Leitzentrale, die Notfallanrufe entgegennahm, an die diensthabenden Ärzte weiterleitete und ggf. Rettungs- oder Krankenfahrzeuge anforderte. Im Falle eines Einsatzes wurde der diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes begleiteten die Fahrer ihn in die Wohnung des Patienten und assistierten dem Arzt.

Der BFH betrachtete die beim Betrieb des Notfalldienstes ausgeführten Leistungen umsatzsteuerrechtlich als Einheit. Der Umsatz sei im Streitfall auch steuerfrei, weil der Verein Mitglied eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrt sei und auch die übrigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG erfülle, insbesondere weil er auch personenbezogene Leistungen erbringe, die den begünstigten Personen unmittelbar zugute kämen.

4.7. Leistungen von Berufsbetreuern steuerfrei

Wird ein Berufsbetreuer gemäß § 1896 BGB gerichtlich zur Erbringung von Betreuungsleistungen bestellt, handelt er nach einem BFH-Urteil vom 25.04.2013 als anerkannte Einrichtung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und kann sich für die Steuerfreiheit der aufgrund dieser Bestellung erbrachten Betreuungsleistungen auf das Unionsrecht berufen.

4.8. Steuerfreiheit oder ermäßigter Steuersatz für kulturelle Leistungen

Die Kombination von künstlerischen und kulinarischen Elementen in Form einer „Dinner-Show“ kann nach einem BFH-Urteil vom 10.01.2013 eine komplexe Leistung sein, die dem Regelsteuersatz unterliegt.

Allein der Umstand, dass beide Bestandteile im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht werden, rechtfertige keine Aufspaltung des Vorgangs, wenn es dem durchschnittlichen Besucher der „Dinner-Show“ um die Verbindung beider Elemente gehe.

Im entschiedenen Fall kosteten die Eintrittskarten zwischen EUR 93,00 und EUR 109,00 und umfassten eine Varieté- und Theatershow, ein Menü mit vier Gängen und die Garderobe. Getränke wurden gesondert berechnet. Während der Veranstaltung saßen die Gäste nicht in Stuhlreihen, sondern an Tischen. Vor und zwischen den musikalischen und künstlerischen Darbietungen wurden die einzelnen Gänge und Getränke serviert und abgeräumt. Zur Unterhaltung während des Essens fand als „Nebenprogramm“ eine musikalische Begleitung statt. Die Gesamtdauer der Veranstaltung betrug vier Stunden. Davon entfielen ca. dreieinhalb Stunden auf das Menü.

4.9. Steuerfreiheit der Umsätze aus „Schul- und Hochschulunterricht“

a) Zur Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule

Mit Urteil vom 28.05.2013 hat der BFH entschieden, dass die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, soweit die erbrachten Leistungen nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen erbracht werden.

Im entschiedenen Fall ging es um eine Schule für WingTsun. Bei dieser Sportart handelte es sich nach einer Werbebroschüre um „Kampf- und Bewegungskunst“.

Das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft hatte eine Bescheinigung erteilt, wonach die erbrachten Unterrichtsleistungen zur Vorbereitung auf den Beruf des Kampfkunstlehrers WingTsun steuerfreie Leistungen i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. 1 Doppelbuchst. bb UStG darstellten.

b) Umsätze aus der Veranstaltung von Fahrsicherheitstraining

Der BFH hat in einem Beschluss vom 10.07.2012 ernstliche Zweifel an der Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus der Veranstaltung von Fahrsicherheitstrainings geäußert.

Im entschiedenen Fall ging es um einen eingetragenen Verein, dessen satzungsmäßiges Ziel die Förderung der Verkehrssicherheit war. Der BFH erkannte sowohl Anhaltspunkte die für als auch solche die gegen die Annahme einer Steuerbegünstigung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG (2005) sprachen. Die Anwendung dieser Vorschrift sei aber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handelte. Auch auf die vom FG erörterte Frage einer Wettbewerbsverzerrung komme es nicht an.

4.10. Steuerbare Leistungen eines Sportvereins

Steuerbegünstigte Körperschaften dürfen ihre Leistungen im Bereich der sogenannten Vermögensverwaltung nicht dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Das hat der BFH mit Urteil vom 20.03.2014 entschieden.

Im Streitfall hatte ein gemeinnütziger Radsportverein u.a. Sportanlagen entgeltlich an Vereinsmitglieder überlassen. Die Überlassung unterliege dem Regelsteuersatz.

Hinweis:

Gemeinnützige Sportvereine sind berechtigt, sich gegen die Steuerpflicht auf das Unionsrecht zu berufen. Danach ist – anders als nach nationalem Recht – auch die Überlassung von Sportanlagen durch Einrichtungen ohne Gewinnstreben steuerfrei, sodass sich die Frage nach dem Steuersatz erübrigt.

4.11. Konkurrenten eines gemeinnützigen Vereins können vom Finanzamt Auskunft darüber verlangen, welcher Steuersatz auf dessen Umsätze angewendet worden ist

Umsätze eines gemeinnützigen Vereins werden einem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterworfen, wenn es sich um die Tätigkeit eines sogenannten Zweckbetriebs handelt. Dieser darf zu anderen Betrieben ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten als es zur Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke des Vereins unvermeidbar ist. Werden diese Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung des Vereins missachtet, kann dies für konkurrierende Unternehmen zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen. Unter Umständen können diese gegen die unzutreffende Besteuerung des Vereins vorgehen.

Mit Urteil vom 26.01.2012 hat der BFH entschieden, dass in solchen Fällen das Finanzamt dem konkurrierenden Unternehmen Auskunft darüber erteilen muss, ob auf die Tätigkeit des Vereins ein ermäßigter Umsatzsteuersatz angewendet worden ist. Anhand dieser Information kann der Unternehmer dann entscheiden, ob er wegen der Besteuerung des Vereins eine Konkurrentenklage erheben will.

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